Wie sieht ein erfülltes Arbeitsleben aus? Was macht uns im Job zufrieden, was produktiv? Wie wichtig ist der Gehaltszettel und wo bleibt die Work-Life-Balance? Diese Fragen bewegen immer noch und immer mehr die Gemüter und schaffen ganze Wirtschaftszweige.
Bei UX&I haben wir uns im Rahmen eines jahrelangen und andauernden Prozesses damit beschäftigt, wie wir uns als Firma organisieren können, um persönlich und wirtschaftlich am erfolgreichsten zu sein. Und siehe da, auch in diesem Kontext ist Menschzentrierung unser Wort.
Wie funktioniert eine menschzentrierte Organisation? Und vor allem: Welche Vorteile hat sie für unsere Kund*innen und uns selbst?
Was heißt menschzentriertes Arbeiten?
Die Basis unserer Unternehmensstruktur ist die Soziokratie. Das bedeutet in erster Linie, dass wir selbstorganisiert sind. Die Verantwortung für die Firma und ihre Mitarbeiter*innen liegt bei uns allen, oder noch klarer: bei jede*r Einzelnen von uns. Es sitzt niemand ganz oben und leitet die Geschicke. Wir haben weder Vorgesetzte im klassischen Sinne noch Projektmanager*innen. Wir alle genießen das Vertrauen, Entscheidungen ohne lange Abstimmungsprozesse zu treffen.
Kreise statt Organigramm
UX&I ist nach dem Pfirsichmodell aufgebaut, das heißt nach einem Kreis, der in mehrere Schichten aufgeteilt ist.
Ganz außen liegen die Projekte und die Wertschöpfung, also das, wovon die Firma lebt. Weiter innen befinden sich die Hilfskreise, welche die Wertschöpfung unterstützen, z. B. Marketing und Sales. Der Kern besteht aus der “Dienenden Führung”, ihm gehört unter anderem die Geschäftsführung an. Hier werden Entscheidungen getroffen, welche die gesamte Organisation betreffen.
Rollen statt Positionen
Es handelt sich bei den Schichten nicht um in sich geschlossene Abteilungen. So sind unsere UX-Berater*innen fachlich auf Projekten im Einsatz, gehören aber auch Kreisen in den anderen Schichten an und kümmern sich – je nach Stärken und Interessen – beispielsweise mit ums Recruiting oder die Unternehmensentwicklung. Statt über feste Positionen übernehmen wir Aufgaben flexibel und bringen uns dort ein, wo wir mit unseren Fähigkeiten gebraucht werden. Auch auf Projektebene können wir jederzeit Rollen übernehmen, die nicht unserer Kernkompetenz entsprechen. Ein*e UX-Designer*in kann auch als Product Owner unterstützen, wenn es im Projekt gerade nötig ist.
Prinzipien statt Regeln
Wir haben fast keine festen Regeln. Vielmehr dienen uns übergeordnete Grundsätze als Leitplanken. Acht Prinzipien sind besonders wichtig und zentraler Bestandteil unserer Kultur. Dazu zählt zum Beispiel die Selbstverantwortung. Sie gibt vor: “Handle, wenn es erforderlich ist: Befolge, was du vereinbart hast und behalte die gesamte Organisation im Blick.” Das Prinzip hilft uns, viele alltägliche Entscheidungen selbstständig treffen zu können – wir sparen uns zum Beispiel den Freigabeprozess für Urlaubsanfragen oder Reisekosten. Ein weiterer Grundsatz ist “Good enough for now, safe enough to try.” Wir müssen nicht immer gleich perfekt sein und können Dinge angstfrei ausprobieren.
Verantwortung statt Pflichterfüllung
Selbstorganisation bedeutet auch: Wir arbeiten gemeinsam für den Erfolg von UX&I. Dafür tragen wir alle Verantwortung und unterstützen mit unseren jeweiligen Stärken. Dabei gehen wir unsere eigenen Wege und tun nichts, nur weil es eben so gemacht wird oder weil eine gefühlte Erwartung in der Luft liegt. Es ist uns wichtig, nicht von kurzfristigen To-do-Listen getrieben zu sein, sondern das große Ganze im Blick haben zu können. Wenn wir auf Stolpersteine stoßen oder das Gefühl haben, Dinge könnten besser laufen, haben wir einen etablierten Prozess, über den wir autonom mit den für das jeweilige Thema verantwortlichen Kolleg*innen nach Lösungen suchen.
Welche Vorteile haben wir als Team?
Gestaltungsfreiraum und Selbstwirksamkeit
Das soziokratische Modell verleiht uns viele Freiheiten und Möglichkeiten zur Mitgestaltung, sowohl auf Organisations- als auch auf Projektebene. Über die Arbeit in Kreisen kann jede*r daran mitwirken, die Firma weiterzuentwickeln und auch auf Projekten müssen wir keinen unumstößlichen Regeln folgen oder Kund*innen nach dem Mund reden.
Wir sind nicht nur Angestellte, sondern Gestalter*innen der Organisation.
Wir können Probleme offen ansprechen und unserem gesunden Menschenverstand folgen, immer mit dem Wissen: Meine Kolleg*innen stehen hinter mir. Unsere Fehlerkultur stärkt uns enorm den Rücken. Fail better ist das Motto. Weil wir Fehler als integralen Bestandteil des Erfolgs sehen, können wir souverän und ohne Druck agieren, uns selbst mehr zutrauen und eigene Stärken spielen.
Außerdem stärkt uns die Möglichkeit, Unzufriedenheiten aus eigener Kraft und auf offiziellem Weg zu beheben. Beispielsweise gab es aktuell in einem Bereich Intransparenzen, die ein Teammitglied gerne abbauen wollte. Das Thema konnte sehr niedrigschwellig auf die Agenda gesetzt werden und kann nun – evtl. gemeinsam mit anderen Mitstreiter*innen – proaktiv gelöst werden.
Das Gefühl, fremdgesteuert zu sein, wird durch unsere Arbeitsweisen und -strukturen im Keim erstickt. Wir sind nicht abhängig von “denen da oben”, es fallen auch keine plötzlichen Blocker vom Himmel, die unsere Lösungen stoppen und uns ohnmächtig zusehen lassen. Frust kann sich nicht so schnell aufbauen.
Beziehung zur eigenen Arbeit
Diese Art von Selbstwirksamkeit rückt uns als Menschen sehr nah an unsere Arbeit. Wir sind keine Ausführer*innen, sondern ein wertvoller Teil des Ganzen. Wenn uns etwas nicht passt, können wir es ändern.
Ich hatte in früheren Firmen oft das Gefühl, ich bin eine Ressource, die man auf irgendein Projekt setzt; Micromanaging, für die Tonne arbeiten, wenig Mitspracherecht haben, das hat mich von meiner Arbeit entfernt.
Außerdem führt das menschzentrierte Mindset dazu, dass unsere persönlichen Bedürfnisse sehr ernst genommen werden. Beispielsweise haben wir in der Pandemiezeit gemeinsam beschlossen und dafür gesorgt, dass jede*r Mitarbeiter*in sich ein Homeoffice einrichten kann, in dem sich gut arbeiten lässt und niemand Rückenschäden davonträgt. Zudem schaffen wir auch im hybriden Arbeitsmodus immer wieder Anlässe, um uns als Kolleg*innen zu treffen und zusammen Spaß zu haben. Die Firma ist kein abstraktes Modell. Sie ist ein Zusammenschluss toller Menschen, mit denen wir über unsere Kultur in einer engen, wertschätzenden Beziehung stehen.
Persönliche Entfaltung
Menschzentrierung betrifft auch das Staffing. Mitarbeiter*innen werden nicht einfach mit beliebigen Aufgaben versorgt, um dann “ihren Job zu machen”. Wofür lebe ich, wofür will ich arbeiten – diese Fragen stellt sich bei uns jede*r neue Mitarbeiter*in im Ikigai-Prozess. Dabei prüfen wir gemeinsam, wie der eigene Sinn zum Sinn der Firma passt und wo die Schnittmenge aus persönlichen Stärken und Wertschöpfung liegt. Vielleicht hat jemand eine geheime Leidenschaft fürs Lehren und kann sich im Bereich Coaching weiterentwickeln, statt weiter nur stur die Fachkompetenzen zu pushen.
Das 80-20-Modell gibt uns die Zeit, uns mit projektfernen Themen zu beschäftigen und unsere eigenen Schwerpunkte zu setzen: 20 % unserer Arbeitszeit verbringen wir abseits von Kundenprojekten auf Konferenzen, mit einem guten Buch oder bei der Arbeit an unserer Organisation.
Was haben unsere Kund*innen davon?
Bessere Ergebnisse durch Motivation
Wir wissen und spüren: Menschen, die sich bei ihrer Arbeit wohlfühlen, machen einen besseren Job. Unsere Zufriedenheit im Arbeitsumfeld erhöht unsere intrinsische Motivation und fließt direkt in die Projekte ein. Wir sind viel öfter bereit, die Extrameile zu gehen, weil wir uns nicht als Ressource der Firma fühlen, sondern als selbstbestimmte Persönlichkeiten – die das machen können, was sie gerne und gut tun. Und: Motivation ist ansteckend.
Flexibilität
Wir sind nicht als Individuum mit fester Position auf dem Projekt, sondern als Teil des Ganzen. Wir haben den gesamten Wertschöpfungsprozess im Blick und können Synergien nutzen, uns thematisch austauschen und für unsere Kund*innen das Beste rausholen. Wenn es das Projekt erfordert, wechseln wir eigenständig Rollen und sind es gewohnt, auch außerhalb unserer Fachkompetenz Dinge in die Hand zu nehmen.
Wir integrieren uns beim Kunden und gucken dann: Was braucht ihr wirklich?
Durch unsere offene Fehlerkultur können wir zudem experimentierfreudig sein. Denkmuster durchbrechen, Dinge ausprobieren, Erkenntnisse gewinnen – und innovative Lösungen entwickeln.
Beratung statt Agentur
Unsere Unternehmensstruktur verlangt Eigenverantwortung von uns – und diese übernehmen wir auch ganz natürlich auf Kundenprojekten. So wie wir intern über den Tellerrand schauen, fühlen wir uns für die ganzheitliche Problemlösung verantwortlich. Das bedeutet auch, dass wir nicht einfach Briefings ausführen. Wenn nötig, legen wir den Finger in die Wunde und agieren frei und ehrlich. Da wir alle Senioren sind, können wir uns dabei auf unsere Erfahrung stützen.
UX im Herzen
Indem wir Menschzentrierung nicht nur in unseren Projekten predigen, sondern sie selbst jeden Tag leben, können wir authentisch arbeiten. Wir haben das UX Mindset verinnerlicht und erkennen dessen Wert in unterschiedlichsten Kontexten. So können wir UX-Wissen überzeugend anwenden und weitergeben.
Ich kann nur ein guter Berater sein, wenn ich selbst menschzentriert denke.
Worauf wir achten müssen
Unterschiedliche Bedürfnisse
Wir sind ein bunter Haufen verschiedenster Charaktere. Zwar ist das Thema Selbstorganisation schon im Bewerbungsprozess zentral, doch nicht jede*r ist gemacht für die absolute Eigenverantwortung. Das müssen wir berücksichtigen. So ist beispielsweise nie gehaltsrelevant, wie sehr sich jemand in fachfremde Themen wie die Organisationsentwicklung einbringt.
Verantwortungsdiffusion
“Alle sind verantwortlich” liegt manchmal nah bei “niemand ist verantwortlich”. Die Gefahr, dass Aufgaben unbemerkt liegenbleiben, ist in der Selbstorganisation etwas höher. Wie in der Projektarbeit müssen wir uns auch intern klar strukturieren und Prozesse finden, um Prioritäten verlässlich anzugehen.
Zeitmangel
Selbstorganisation passiert nicht nebenbei. Sie erfordert persönlichen Einsatz, Zeit und einen freien Kopf neben der Projektarbeit. Daher werden wir nur zu 80 % auf Kundenprojekten gebucht. Dennoch müssen wir unsere Zeitplanung gut im Blick haben (denn: Es gibt keine Überstunden).
Fazit
Der Arbeitskontext hat enorme Auswirkungen auf die Teamzufriedenheit und die Qualität der Ergebnisse. Das menschzentrierte Modell funktioniert in unserer Organisation auf vielen Ebenen gut, wir sind aber noch lange nicht am Ziel. Immer wieder müssen wir austarieren, abwägen, Dinge loslassen und verändern. Auch hier hilft uns das Grundprinzip: Good enough for now, safe enough to try.